Die Korbflechterei in Barth-Stein

Zugegeben, Barth-Tannenheim kann nicht als Beispiel für ein schönes Wohnumfeld herhalten. Trotzdem hat die Siedlung es nicht verdient, nur als eine Ansammlung von Gebäuden in Form von Baracken gesehen und abgetan zu werden. Tannenheim hat auch seine Geschichte. Und zwar eine ganz eigene, eine sehr spannenden Vergangenheit. Man muss sie nur kennen.

Was diese Wohnsiedlung anbelangt, so ist deren Entstehung im Jahre 1940 mit dem Rüstungsbetrieb „Pommersche Industriewerke GmbH Barth“ PIW im Barther Stadtholz ursächlich verknüpft. Tannenheim war 1940 als ein sogenanntes Bereitschaftslager mit der Ortsbezeichnung Barth-Stein errichtet worden. Nach den Bauplanungen von 1940 war das Bereitschaftslager Barth-Stein für maximal 2.000 Personen vorgesehen. Im Jahr 1944 hatten dort laut Otto-Böckler-Stiftung 1.479 deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke PIW Quartier bezogen.

Bereits am 30. April 1945 war der letzte Arbeitstag in den PIW. Die Rote Armee rückte am 1. Mai 1945 in die Stadt Barth ein. Da in der Munitionsfabrik mehr gearbeitet wurde, war auch die ursprüngliche Zweckbestimmung für das Bereitschaftslager Barth-Stein hinfällig geworden.

Die Bewohner, durchweg dienstverpflichtete Mitarbeiter der PIW und Angehörige des RAD (Reichsarbeitsdienst), mussten nun die Unterkünfte des Bereitschaftslagers verlassen und in ihre früheren Wohnorte zurückkehren.

Ein sowjetischer Kommandant war nun der Herr aller Dinge in der Stadt. Nur er bestimmte und verfügte, was zu geschehen hatte oder auch zu unterlassen war. Die Rote Armee hatte nicht nur die Stadt besetzt, sondern auch die Pommersche Industriewerke (PIW) unter ihr Kommando genommen. Dieses Werk sollte und wurde auch gemäß dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 demontiert. Das Abkommen gab der Siegermacht UdSSR die Befugnis, ihre Reparationsansprüche an Deutschland durch Demontagen und Sachlieferungen aus ihrer eigenen Besatzungszone zu befriedigen. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, erhielt sie das Recht zugestanden, Reparationen sogar auch aus den anderen Zonen zu erhalten.

Wie dem auch sei, die PIW wurden von der Roten Armee jedenfalls am 1. Mai 1945 besetzt und in den folgenden Monaten sozusagen ausgeschlachtet. Alles was nicht niet- nagelfest war, wurde ab- und ausgebaut bzw. ausgebuddelt.Maschinen, Geräte und sonstige Immobilien schaffte man als Reparationsleistungen in die Sowjetunion. Die Gebäude und verbliebenen Anlagen machte man unbrauchbar.

Ein Bericht vom 21. Januar 1947 aus der Stadtverwaltung gibt dazu folgende Schilderung zu jener Zeit:

Das Werk wurde im Mai 1945 von der Roten Armee besetzt und bis zum Februar 1946 verwaltet. Während dieser Zeit wurden die gesamten Maschinenanlagen und sonstigen Einrichtungen demontiert und abtransportiert. Auch die gesamten Versorgungsleitungen für Wasser und Elektrizität und auch die zentrale Heizungsanlage mit dem gesamten Rohrsystem unterlagen der Demontage, so daß davon nichts mehr vorhanden ist.

Einige Gebäude wurden gesprengt, ein Teil ist durch Feuer zerstört worden, der Rest wurde im Februar 1946 den Selbstverwaltungsorganen zum Abbruch übergeben. Der Abbruch ist soweit durchgeführt, daß heute nur noch Ruinen stehen, die nicht mehr verwertbar sind. Die gesamten Werksanlagen müssen jedenfalls restlos zerstört werden, es darf kein Gebäude erhalten bleiben.

Ein Lageplan über das Werk ist nicht mehr vorhanden. Falls noch ein solcher über ursprünglichen Zustand der Werksanlagen gewünscht wird, so kann er auf Anforderung angefertigt werden, was aber einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“ (1)

So weit also die Wiedergabe eines authentischen Schreibens zur Situation 1947.

Gleichzeitig zum Lager Barth-Stein war nur hundert Meter weiter westlich weiteres Bereitschaftslager, mit der Bezeichnung Barth-Holz, errichtet worden. Während in Barth-Stein bis zum 30. April 1945 ausschließlich dienstverpflichtete deutsche Arbeitskräfte und Angehörige des RAD (Reichsarbeitsdienst) wohnten, handelte es sich bei den Insassen im Lager Barth-Holz dagegen um Zwangsarbeiter, Ostarbeiter, italienische Militärinternierte und auch sowjetische Kriegsgefangene.

Die beiden Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz standen jetzt nach Kriegsende leer und verlassen da. Die Menschen aus Barth und den umliegenden Dörfern nutzten die Gelegenheit um aus den verlassenen Wohnungen, Verwaltungsgebäuden und Werkstätten so viel wie möglich herauszuholen. Bald darauf wurde ein völlig überforderter Wachdienst damit beauftragt, Vandalismus und Plünderungen zu verhindern. Dass der Wachdienst nicht in der Lage war, die Situation unter Kontrolle zu bringen, zeigen Berichte und Protokolle von 1947 anlässlich der Rückgabe des Lagers an die deutsche Selbstverwaltungsbehörde.

Für die bevorstehende Übergabe durch die sowjetische Kommandantur erstellte das Barther Stadtbauamt am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst.

Oberstleutnant Kossarew von der sowjetischen Kommandant der Stadt Barth, , hat dann am 30. Januar 1947 die Verfügungsgewalt über das Lager Barth-Stein an die Stadt Barth zurückgegeben. Eine eigens dafür gebildete Kommission hat für die Übergabe eine Übersicht zu dem Lager, den Gebäuden sowie deren aktuellem Erhaltungszustand erstellt.

Der wörtliche Übergabebericht:

Die Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden der Kommission, verantwortlicher Offizier in militärischen Fragen der KWU der Stadt Barth, Kapitän Kutscherow, einerseits, und den Vertretern der Selbstverwaltung der Stadt Barth, dem Chef der Kommunalabteilung, Herrn Blumenthal und dem Leiter der Bauabteilung, dem älteren Ingenieur, Herrn Schmieder, hat auf Grund von Direktiven des Chefs der UKS des Stettiner Bezirks 652 vom 18.12.1946, folgenden Akt betreffend Übergabe der Kasernen in der Stadt Barth, Lager Barth-Stein, an der Chaussee nach Bodstedt, zusammengestellt.“ (2)

Übergeben wurden: Lager Barth-Stein mit einer Gesamtfläche von von 180.000 m²,

an einstöckigen Gebäuden aus Ziegelstein 13 Baracken, 1 Werkstatt, 1 Sanitätsbaracke, 1 Baracke mit Bad, 1 Werkstatt mit Garage, Speiseräume mit 1 Küche und Kesselraum,

1 Wächterhaus sowie 1 Feuerturm, 4-stöckig.

Es wurde angemerkt, dass die Gebäude des Lagers Barth-Stein, die zum Zeitpunkt der Übergabe leerstanden, zu 40% von der deutschen Bevölkerung zerstört worden sind.

Zum Lager Barth-Holz, das bis 1947 als Quarantänelager für Umsiedler diente, übergab das Stadtbauamt dem Bürgermeister am 25. Februar 1947 einen Bericht mit folgendem Inhalt:

Bericht über das Lager Barth-Holz. Das Lager Barth-Holz liegt an der Straße nach Bodstedt etwa 3,5 Kilometer westlich von Barth auf einem von Drahtzaun umzäunten Gelände von rund 55.000 m² Größe.

Westlich des Haupteinganges liegen 6 Baracken von einer Größe zusammen 12.000 m³ umbautem Raum. Ferner eine Baracke für die Lagerwache und zwei Abortbaracken. Östlich des Haupteinganges liegen die Baracke für die Lagerverwaltung, die Sanitätsbaracke mit Badeanstalt, der große Saal mit anschließendem Küchen- und Wirtschaftsteil, Wäschereibaracke, zwei Holzschuppen, 1 Garagengebäude und zwei Abortbaracken mit rund zusammen 8.000 m³ umbautem Raum.

Sämtliche Gebäude sind Holzbaracken mit Pappdach mit Ausnahme des Saalgebäudes, das in Holzfachwerk mit Ziegelsteinausmauerung errichtet ist.

Das Lager wird als Quarantänelager für Umsiedler benutzt. Es ist z.Z. mit ca. 200 Personen belegt.“ (3)

1950 nannte man dann Barth-Holz „ehemaliges“ Umsiedlerlager. Es gab unterschiedliche Auffassungen was die Zuständigkeiten in dem Lager anbelangte, insbesondere wenn es um die Beschaffung von Baumaterialien oder um finanzielle Belange ging. Dazu gibt ein Aktenvermerk zu einer Beratung, an der die „Gen. Zornow und Gen. Steinhagen von der Stadtleitung der SED, Gen. Maß und Semlow von der KWU Stadt, Ge. Köppert von der Kreisleitung, Genn. Kladetzke, Bürgermeister“ teilgenommen hatten und folgende Erklärung an den Rat des Kreises Stralsund sandten:

Das Barackenlager stand bis Juli 1950 in Verwaltung des Rates des Kreises Stralsund.

Die Zustände in diesem Lager sind seit Jahren der Kreisverwaltung bekannt. Der szt. Kreisrat Wohlers Abt. Leiter Wegner und Knippert sowie andere Funktionäre der Kreisverwaltung haben es wiederholt besichtigt.

Nach Angaben des Gen. Semlow wurden für Rep. Arbeiten in diesem Lager für das Jahr 1950 6.000 DM eingeplant, die aber nicht für diese Zwecke verwandt worden sind.

Ende Juli hat die KWU Stadt Barth dieses Lager übernommen. Eine ordnungsgemäße Übergabe der Mietverhältnisse ist nicht erfolgt.

Mieteinnahmen bisher 1.050.- DM per 31.10.50

Ausgaben an Reparaturen 3.650.- DM.

Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff.

Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert.

Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.

Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden.

Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.

Unser Vorschlag: Das Lager hat nur noch kurze Lebensdauer. Es wird notwendig sein, das Lager allmählich zu räumen und abzureißen. Dazu ist es notwendig, dass der Stadt Barth nicht anderweitig Leute zugewiesen werden.

Die Stadt Barth wird in diesem Falle sofort mit der allmählichen Räumung - dringendste Fälle - beginnen, die im Verlauf eines Jahres abgeschlossen sein kann.

Im Falle einer Sofortlösung müssen Mittel bereitgestellt werden und Material für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein. Diese Mittel sind bereits vom KWU Barth bei der Abt. Wirtschaft in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund beantragt.

ca. 40.000 DM.“ (4)

Aus dem angestrebten Termin zur Räumung wurde allerdings nichts. Noch Ende der 1950er Jahre wohnten hier noch immer „Umsiedler“ genannte Heimatvertriebene und Flüchtlinge.

Die Stralsunder Kreisverwaltung reagierte und ließ zu den Arbeiten der Instandsetzungen der Baracken in Barth-Holz, aber auch in Barth-Stein, am 9. November 1950

das Rathaus in Barth wissen

... müssen wir Ihnen mitteilen, dass dem Kreise keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um einen Zuschuss zur Instandsetzung der beiden Wohnlager zu bewilligen. Der Zuschussbedarf dieser beiden Objekte muss zunächst aus den Erträgen des KWU bestritten werden.Etwa dadurch bedingte Verluste des KWU sind nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften im Haushalt der Stadt Barth einzuplanen.

In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlagen ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel nötigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsverpflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.

Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können. (5)

Handschriftliche Anmerkung im Barther Rathaus unter diesem Bescheid: „Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. (Sauter)“ (6)

Ob der Kreditantrag letztlich bewilligt wurde konnte nicht verlässlich festgestellt werden. Das große Problem der Material- und Geldbeschaffung wurde nun der Barther Grundstücksverwaltung zugeschoben. Dazu heißt es in einem Schreiben vom 6. November 1950 zu den beiden Wohnlagern Barth-Holz und Barth-Stein:

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.

Barth-Holz

Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.

Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.

Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.

Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.

Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.

Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.

Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.

Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.

Am 8.8.

mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.

5.9.

Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.

29.8.

Unser Schreiben den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür

bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.

8.9.

Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt. (7)

Vielleicht noch etwas zum vorgenannten „Amt zum Schutze des Volkseigentums“.

Die SMAD ordnete mit dem SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und dem Befehl 126 vom 31. Oktober 1945 die Beschlagnahme des Vermögens des Deutschen Staates und seiner Organe, der Amtsleiter der NSDAP, der führenden Mitglieder und Anhänger der NSDAP, der faschistischen Wehrmacht, des Vermögens der NSDAP, ihrer Gliederungen, der ihr angeschlossenen Verbindungen usw. an.

Nach der Beendigung des Sequesterverfahrens durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 wurde das Amt für Angelegenheiten der Sequestrierung und Beschlagnahme aufgelöst.

Zur Sicherung und Nutzung der in Volkseigentum überführten Betriebe und Vermögen wurde mit Beschluss der DWK vom 5. Mai 1948 ein Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums eingerichtet.“

Unter Punkt 8 des genannten Befehls von Marschall der Sowjetunion G. Shukow ist festgelegt: „Ich mache alle Ämter, Organisationen, Firmen und Unternehmen sowie alle Privatpersonen, in deren Nutzung sich das in den Punkten 1 und 2 aufgezählte Eigentum befindet, darauf aufmerksam, daß sie die volle Verantwortung für dessen Erhaltung und die Sicherung einer reibungslosen Ausnutzung dieses Eigentums, entsprechend seiner wirtschaftlichen Bestimmung tragen.“ (8)

Die Bewohner des Bereitschaftslagers, die bis zum 30. April 1945 ihrer Arbeit in den PIW nachgingen, hatten von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz verloren, wurden demzufolge nicht mehr benötigt. Sie verließen notgedrungen auch ihre Unterkünfte im Lager und kehrten in ihre Heimatorte zurück. Die Rote Armee hatte das Lager mit den leergeräumten Gebäuden besetzt.

Doch das Leben musste in der Stadt Barth auch ohne die PIW weitergehen, jetzt aber mit friedlicher Arbeit. Möglichkeiten zur Schaffung von zivilen Arbeitsplätzen mussten ausgelotet werden.

So wurden in den ehemaligen Gemeinschaftsbauten im Großen Saal, im Heizhaus und im Schweinestall Werkstatträume und Unterstellmöglichkeiten für Traktoren, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Gerätschaften ein. Eine erste MTS (Maschinen- und Traktoren-Station) entstand. Auch eine Korbflechterei wurde, zunächst noch als sogenannte Heimarbeitsindustrie, aufgebaut, die Anfang 1948 dann die Bezeichnung Umsiedlergenosenschaften bekam.

Ab 1949 ist schließlich von der „Heimarbeitsgenossenschaft e.G.m.b.H Barth - Kreis Stralsund“ die Rede.

Hierzu ein Schreiben der Korbflechterei von Januar 1949 an den Rat der Stadt Barth:

In Beantwortung [...] teilen wir Ihnen mit, dass die gerichtliche Eintragung unserer Genossenschaft beantragt ist.und in Kürze erfolgen wird.

Die geforderte Jahresbilanz wird von unserem Sachverständigen […] erst Ende ds. Mts. Fertiggestellt. Jedoch kann derselbe eine Zwischenbilanz von November 1948 vorlegen.

[…] Unser Betrieb beschäftigt z.Zt. über 100 Personen.“ (9)

1950 wurde der Landesregierung Mecklenburg vorgeschlagen, die Genossenschaft in den Status eines Produktionsbetriebes zu erheben und den KWU (Kommunale Wirtschaftsunternehmen) anzugliedern.

Aus einem Schreiben vom 26. Juni 1950 an die Landesregierung:

Wir haben in Barth eine Heimarbeits-Genossenschaft, welche seit zwei Jahren Korbflechtarbeiten ausführt. […] Das KWU wäre geneigt, die Korbwarenabteilung der Heimarbeitsgenossenschaft seinen Betrieben anzugliedern.“ (10)

Die Heimarbeitsgenossenschaft wurde schließlich von den KWU geschluckt und firmierte bald darauf bis etwa 1970 als VEB (K) Korbflechterei Barth.

Gespräche mit einer ehemaligen Barther Korbflechterin, Frau Knaack, vermittelten Einblicke in mir bis dahin völlig fremde technische Abläufe bei der Herstellung von Korb- und Flechtwaren, so dass ich mich auf Fakten aus berufenem Munde stützen darf. Die Frau gehörte mit ihren Eltern zu den frühen Nachkriegseinwohnern der Siedlung, die erst im Jahr 1947 von der sowjetischen Militäradministration durch den Oberstleutnant Kossarew offiziell an die deutsche Selbstverwaltung zurückgegeben worden war. Seit etwa 1957 spricht man amtlicherseits nicht mehr von Barth-Stein, sondern von Barth-Tannenheim.

Wo genau war nun dieser Betrieb? Von der L 21 geht es rechts ab in die Wohnanlage in den heutigen Eschenweg. Rechter Hand stehen Garagen. Auf diesem Gelände stand früher ein größeres Gebäude, das bis an den Kiefernweg heranreichte. Im südlichen Teil befand sich das Brause- oder auch Badehaus. Im nördlichen Bereich war das Feuerlöschhaus untergebracht. An der Ecke Eschenweg/Kiefernweg stand der Feuerwehrturm (Höhe: 16,80 Meter), dessen Fundament auch heute noch erkennbar ist.

Gegenüber, neben der Wache (später Wohnung der Familie Böhm), steht das ehemalige Werkstattgebäude. Der südliche Teil dieses Gebäudes war nach dem Krieg für viele Jahre die Konsumverkaufsstelle, die später in die Räumlichkeiten des einstigen Reviergebäudes umzog.

Im nördlichen Bereich des Werkstattgebäudes wurden die Produktionsräume für die Korbflechterei eingerichtet. Dazu gehörte auch eine Tischlerei mit Herrn Böhm als deren Chef. Seine Ehefrau, Frau Böhm, war übrigens die Verkaufsstellenleiterin des Konsumladens in Barth-Stein.

Welche Produkte wurden in der Korbflechterei hergestellt?

Das Sortiment hatte eine relativ überschaubare Vielfalt. Gefertigt wurden entsprechend des Bedarfs und, soweit machbar, der damaligen Mode nachkommend Wannen für Kinder- bzw. Babywagen. Wofür es ja auch derzeit wieder Bedarf zu geben scheint. Weiterhin stellten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tragekörbe und kleine Körbchen her.

Beim Stichwort „Körbchen“ sei mir gestattet, einen Beweis für das Alter der Flechtkunst zu wagen. Die Bibel berichtet im zweiten Buch Mose davon, wie Moses als Säugling von seiner Mutter in einem geflochtenen Korb auf dem Nil ausgesetzt wurde, da das Kind andernfalls von den ägyptischen Machthabern getötet worden wäre:

Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästlein von Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils. Die Tochter des Pharaos fand den Korb und rettete das Baby. Wie wäre die Geschichte wohl ohne den rettenden Korb verlaufen? Denn Pharao hatte seinem Volk geboten, alle Söhne, die geboren werden, werft ins Wasser, und alle Töchter laßt leben.“

Das Handwerk des Korbflechtens hat also ein wahrhaft biblisches Alter und ist doch lebendig bis in unsere Tage geblieben.

Die Körbe und Körbchen waren als Modeartikel der 60er und 70er Jahre sehr stark nachgefragt. Um überhaupt an solche Dinger zu kommen, sind viele nach Stettin gefahren. Dort gab es sie auf dem Polenmarkt zu kaufen. Unter anderem auch aus Weiden geflochtene Einkaufskörbe. Die waren seinerzeit der ganz große Renner bei den Mädchen und Frauen. Nur zu kaufen gab es sie hierzulande nicht, oder nur unter dem Ladentisch erhältlich.

Ein weiteres Produkt in der Barth-Steiner Palette waren Wäschekörbe. Diese wurden in verschiedenen Größen, aber auch in verschiedenen Formen hergestellt. Es gab sie als runde Ausführung, als ovale Ausführung, als große oder auch als kleine Wäschekörbe. Eine Besonderheit waren die sogenannten Mecklenburger Wäschekörbe. Bei diesen handelt es sich Gegensatz zu den damals üblichen Korbformen, dass sie weder rund noch oval waren. Sie hatten eine eckige Ausführung.

Aber nicht nur modische Ansprüche sollten befriedigt werden, auch die Industrie, der Handel und die Landwirtschaft benötigten Korbflechtwaren. In den Büros und in sonstigen Amtsstuben waren diese Dinge ebenfalls unentbehrlich. Man denke nur an die Kartoffelernten, dort ging auf dem Acker ohne Kiepen nichts. Es wurde bis Ende der 1950er Jahre noch mit dem Kartoffelroder mit einem davor gespannten Pferd gearbeitet. Erntemaschinen heutiger Art gab es dann erst später, so dass die von Hand aufgeklaubten Kartoffeln in Körbe gesammelt wurden und zu einem Anhänger getragen werden mussten. Dafür waren natürlich diese Körbe aus Weidengeflecht bestens geeignet.

Ebenso bei dem damals noch hochaktuellen Kohlehandel war die Arbeit ohne Jutesäcke und Weidenflechtkörbe schier undenkbar. Die Männer von den Kohlehandlungen Krusemark und Völcker schleppten die Briketts entweder in Weidenkörben oder den erwähnten Jutesäcken von ihrem Fahrzeug zum Haus, wenn möglich, sogar bis in den Keller.

Und, nicht zu vergessen, in den Büros, Schreibstuben und Klassenzimmern der Schulen waren früher Papierkörbe aus schlichtem, aber dennoch schön wirkendem Flechtwerk ein übliches Utensil.

Welches Material fand denn beim Flechten Verwendung? Das Material, das beim Korbflechten verwendet wird, ist, wie allgemein bekannt, ein Naturprodukt. Weidentriebe oder Weidengerten, auch Weidenruten ist eine übliche Bezeichnung dafür. Die in Barth-Stein benötigten Mengen an Material konnten allerdings nur zu einem kleineren Teil aus eigener Ernte gewonnen werden. Der größte Teil des Materials jedoch kam als Lieferung per Bahn von außerhalb.

Am Fuchsberg nahe des Borgwalls betrieb die Korbflechterei Barth eine eigene Weidenkultur. Das Material musste nach dem Schnitt bzw. nach der Anlieferung in der Flechterei zur Weiterverarbeitung aufbereitet werden. Wie ging das vor sich? Welche Arbeitsgänge sind dabei erforderlich? Wie hat man dieses Material in Barth-Stein aufbereitet?

Wurden die Weidengerten angeliefert, waren sie zunächst ausgetrocknet und somit zur sofortigen Weiterverarbeitung nicht geeignet. Sie mussten erst einmal weich und geschmeidig gemacht werden. Dazu gab man sie in ein großes Wasserbassin aus Beton, das im Betriebsgelände vorhanden war. Hier wurden die Weiden gewässert. Sie grünten dadurch wieder aus, was sie weich, geschmeidig und biegsam machte, so dass sie den Ansprüchen der Verarbeitung entsprachen. Anschließend erfolgte der Arbeitsgang des Schälens. Das geschah maschinell. Um bei dem Material die helle Färbung, welche nach der Schälung entstanden war, zu erhalten, kam es im Freien an die Sonne. Wenn diese mal gerade nicht schien, tat das dem Vorgang aber keinen Abbruch.

Da das Naturprodukt Weidenholz infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit während des Wässerns von Schimmel befallen werden kann, wurden die Weidenruten abschließend noch geschwefelt.

Der Prozess der Fertigung in der Endphase erfolgte in zwei Arbeitsgängen. Dabei war die eine Arbeitsgruppe mit der Fertigung der Bögen befasst, während eine zweite Gruppe die Endfertigung vollzog, also die einzelnen Teile bzw. Baugruppen zum Endprodukt montierte.

In den Arbeitsgruppen wechselte man die Arbeitsgänge ständig, damit es für die einzelnen Kolleginnen und Kollegen nicht so eintönig werden sollte.

War dann schließlich alles fein säuberlich zusammengefügt, konnte es in den Versand gebracht werden. Die Kundschaft wartete bereits.

Ob die für das Bearbeiten der Weidenruten erforderlichen Werkzeuge immer und in der entsprechenden Qualität zur Verfügung standen? Es herrschte ja nicht nur unmittelbar nach Kriegsende Mangel an fast allem. Dem Bedarf konnte auch in der späteren sozialistischen Planwirtschaft nicht zufriedenstellend nachgekommen werden. Für die Werkzeuge, wie Weidenspalter, Korbmachermesser, Schlageisen, Pfrieme oder auch Weidenscheren müssen nämlich hochwertige Stähle verwendet werden. So ist zum Beispiel für die Weidenschere, welche auch als Baumschere Verwendung finden kann, ein Stahl in schwerer und geschmiedeter Qualität erforderlich. Es soll ein Stahl sein, der eine große Langlebigkeit garantiert und scharfe, glatte Schnitte ermöglicht. Auch an den Pfriem, ein an und für sich unscheinbares Werkzeug, wird ein gewisser Anspruch an Güte gestellt. Er soll aus einem Qualitätsstahl (Chrom-Vanadium-Legierung) gefertigt sein. Den Pfriem braucht der Weidenflechter zum Vorstechen des Geflechts.

Im Zusammenhang mit der Gewinnung von Weiden für den VEB (K) Korbflechterei Barth gab es ein ziemliches Gezerre zwischen verschiedenen Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen betreffs der Rechte für den Anbau der Weiden, deren Ernte und der Lieferungen nach Barth-Stein. Dazu finden sich im Archiv mehrere geschäftliche Schreiben. Zum Beispiel das vom KWU mit Datum vom 25. April 1950 an die Landesregierung Mecklenburg, das einen Einblick in damalige Befindlichkeiten gibt:

Mit Errichtung des KWU in Barth wurde von der Stadtverwaltung eine 6 ha große Korbweidenkultur übernommen. Diese ist laut Sachverständigem-Gutachten des von der Landesregierung Hauptabteilung Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse benannten Herrn Matthes in Schwaan überaltert und nicht mehr voll ertragsfähig...“ (11)

und deshalb seien staatliche Zuschüsse mit folgenden Beträgen erforderlich:

Für 1947/48 746 DM, für 1948/49 966 DM und für 1949/50 682 DM.

Es wurde daher der Antrag an das zuständige Ministerium eingereicht, „einem Pachtverhältnis an hiesige Korbmacher zuzustimmen, um zu erzielen, dass diese die Aberntung und die Verarbeitung durchführen. Die HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse erklärt sich unter Schreiben vom 14.4.50 damit einverstanden, verpflichtet uns jedoch nach wie vor die Ernten abzuliefern.

Unsere gesamte Ernte von rund 300 Dezi-Zentner jährlich wurde der Korbweiden-Anbau und Verwertungsgenossenschaft zur Verfügung gestellt. Der Leiter dieser GmbH, ein Privatunternehmer Falk in Rostock bezog davon 153 dz für eigene Rechnung. Der oben angeführte Zuschuss kann und muss vermieden werden, wenn der Rohstoff in unserem eigenen Betrieb verarbeitet wird. Die Voraussetzungen dafür liegen günstig, da Fachkräfte, Räume usw. vorhanden sind.

Wir bitten daher; in Verbindung mit der HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse das bisher der Korbweidenanbau und Verwertungsgenossenschaft, Rostock, August-Bebelstr. 3, zugesprochene Kontingent von 300 dz aus unserer Erzeugung auch auf unseren Betrieb zu übertragen.

In Verbindung mit der HA Wirtschaftsplanung uns für das 4. Quartal 1950 und weiterlaufend einzuplanen.“ (12)

Der Minister in der Landesregierung, Starosson, hat dann in diesem Fall entschieden, so dass am 1. Juli 1950 die Heimarbeits-Genossenschaft Barth-Stein des KWU Barth folgendes Schreiben erreichte:

An die Heimarbeits-Genossenschaft, z.Hd. von Herrn Schwan, Barth-Stein, Direktion.

Nachdem Herr Minister Starosson entschieden hat, dass die Nutzung der Weidekultur ohne Auflagesoll dem KWU der Stadt Barth verbleibt, ist eine Lage geschaffen, welche die Weiterentwicklung zu überlegen zwingt. Ich bitte Sie, wenn die schriftliche Bestätigung vorliegt, einen Arbeitsplan aufzustellen, welcher die Weiterentwicklung der Korbflechterei eventuell Eingliederung in das KWU und ähnliche Fragen beantwortet.

Zur Besprechung dieser Angelegenheit wäre Ihr Besuch in den nächsten Tage uns erwünscht.“ (13)

Alfred Starosson, gelernter Frisör, war einst Mitglied der Rostocker Bürgervertretung und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das Amt des Ministers für Handel und Versorgung im Land Mecklenburg inne.

 

Die „Heimindustrie“

In den Archivbeständen der Stadt Barth zum Thema Korbflechterei Barth-Stein tauchen in den Schriftverkehren zwischen den damaligen Ämtern zunächst die Begriffe „Heimarbeit“, dann „Heimindustrie“, dann „Heimarbeitsgenossenschaften“ und schließlich KWU und VEB (K) auf.

Eine der schlimmen Kriegsfolgen war, dass die Wirtschaft in Deutschland am Boden lag. Doch Arbeit musste her. Fachkräfte waren aber rar. Millionen deutscher Männer und Frauen waren als Kriegstote zu beklagen, Millionen deutscher Männer waren für mehrere Jahre in Kriegsgefangenschaft geraten. Der Neubeginn der Wirtschaft in Deutschland war eine komplizierte Angelegenheit, doch es musste gelingen, wieder auf die Beine zu kommen.

Dafür schuf man zunächst die Heimindustrie. Deren wenig effektive Arbeitsweisen machten jedoch bald deren Zusammenschluss zu Produktivgenossenschaften erforderlich. In Barth-Stein führte das zur Gründung der Korbflechterei als „Heimarbeitsgenossenschaft“.

Was hatte es mit der Heimindustrie überhaupt für eine Bewandtnis? In den Schriftstücken im Archiv ist viel Interessantes zu lesen. Interessant auch deshalb, weil uns Heutigen das Vokabular einerseits häufig doch recht fremd erscheint, andererseits aber auch wieder gar nicht so fremd ist. Manche Maßnahme, zu der die Politik in jenen Jahren gezwungen war, könnte auch aus heutigen Arbeits- bzw. Sozialministerien aus Bund und Ländern stammen.

Eine Kostprobe:

9. September 1948, Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Sozialwesen,

Hptabtlg. Arbeit und Sozialfürsorge

Betr.: Fürsorge für Heimarbeiter, die infolge der Währungsreform arbeitslos geworden sind.

Im Juni / Juli d.Jhrs. hat die Heimindustrie in Mecklenburg 6.000 Menschen (davon 4.000 Frauen) Arbeit gegeben, während im Laufe der letzten Wochen zahlreiche Entlassungen vorgenommen werden mussten, weil es sowohl den Genossenschaften als auch Privatunternehmen und den Gemeinschaftsbetrieben der Volkssolidarität vielfach nicht möglich war, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Der Heimindustrie in Mecklenburg, die im Laufe des letzten Jahres einen recht guten Anfang genommen hatte, ist durch die Währungsreform ein empfindlicher Schlag versetzt worden. Nicht nur, dass die auf den Banken liegenden Betriebsgelder nur mit 1:10 umgewertet worden sind, sondern durch die allgemeine Verknappung des Geldes machen sich auch Absatzschwierigkeiten bemerkbar, insbesondere für solche Artikel, die nicht dem praktischen Verbrauch dienen. Es wird Aufgabe der Ämter für Arbeit sein, die Produktion der Heimindustrie zu überprüfen, die Herstellung von solchen Bedarfsartikeln zu fördern, die die beste Materialverwendung ergeben und die Heimarbeiter zu Genossenschaften zusammenfügen, die die Gewähr bieten, dass planmäßig das Ziel verfolgt wird, die Produktion zu verbessern und zu verbilligen.

Um zu verhindern, dass die bisherigen Heimarbeiter, zumeist handelt es sich um nicht voll einsatzfähige Frauen, hilfsbedürftig werden, ist zu prüfen, auf welche welche Weise vorbeugend durch die Sozialämter eingegriffen werden kann. In vielen Fällen wird durch Gewährung einer einmaligen Beihilfe von 100 – 300 DM, die durch den Heimarbeiter zur Zeichnung von Genossenschaftsanteilen oder zur sonstigen Finanzierung verwendet werden könnte,eine bessere Hilfe geleistet werden, als durch Zahlung einer laufenden Fürsorgeunterstützung an den arbeitslosen Heimarbeiter. Vor Gewährung solcher Beihilfen muss jedoch festgestellt werden, ob die Verschuldung des Betriebes nicht bereits so groß ist, dass die Beihilfe nur in die Konkursmasse wandern würde. Voraussetzung für die Bewilligung derartiger Unterstützungen muss deshalb sein:

a) dass das Geld einer bereits bestehenden Produktionsgenossenschaft für Heimarbeiter zufließt, die eine gesunde Grundlage hat und die Gewähr bietet, dass sie weiterhin ihren Mitgliedern Verdienst und Arbeit sichert,

b) dass die Mitglieder bestehender Arbeitsgemeinschaften sich zu einer Produktionsgenossenschaft zusammenschließen oder einer bereits bestehenden Genossenschaft beitreten und durch Schaffung klarer Verhältnisse eine neue Arbeitsgrundlage sichern.

Die Prüfung der Betriebe nach den unter a) und b) gekennzeichneten Gesichtspunkten kann nur in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Arbeit geschehen. Sweit bereits Stilllegungen vorgenommen worden sind, ist beschleunigte Hilfeleistung notwendig.

Eine Überprüfung der einzelnen Heimarbeitsbetriebe wird im Laufe der nächsten Zeit auch durch das Ministerium für Sozialwesen erfolgen.

Die Sozialämter werden um Bericht in dieser Angelegenheit gebeten.“

Die geschaffene Heimindustrie hatte also den Zweck, „alleinstehenden Umsiedlerfrauen, hausgebundenen Müttern und kriegsversehrten, nicht mehr voll einsatzfähigen Personen eine Existenzgrundlage zu ermöglichen.“ (14)

Durch die von der Landesregierung hierfür ausgegebenen Mittel und durch die Gewährung sogenannter Anlernbeihilfen wurde die Heimarbeit stark gefördert. So war es möglich, die in den einzelnen Dorfgemeinschaften geschaffene Heimarbeit zu unterstützen. Die ersten Arbeitsgemeinschaften wurden im Februar 1947 geschaffen. Das hat doch viel Ähnlichkeit mit den uns bekannten ABM der Nachwendejahre?

Und dann kam am 15. August 1950 das Schreiben zur Liquidierung der Genossenschaft. In diesem Schreiben ist die Richtung zu erkennen, wohin der Hase künftig zu laufen hatte. Aus den anfänglichen Erfordernissen, der Wirtschaft mit kleingliedrigen Maßnahmen, wie Heimarbeitsindustrie, wurden im Laufe der Zeit dann Heimarbeits-Genossenschaften. Die allgemeine Zentralisierung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft deutet sich hier in den Anfängen bereits an.

Denn im August 1950 wird die Heimarbeitsgenossenschaft darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Korbflechterei am 15. August 1950 vom KWU übernommen wird. Die bislang eigenständige Genossenschaft wurde liquidiert und dem kommunalen Unternehmen KWU als Betriebsteil zugeordnet. Hier der Inhalt des entsprechenden Schriftstückes vom 10. August 1950 an die Direktion der Heimarbeitsgenossenschaft Barth-Stein:

Am 15.8.1950 wird die Korbflechterei als Betriebsteil im KWU Barth übernommen. Das Mobiliar, das Material und die Geräte nach der Aufstellung vom 31.7.1950 werden zum Schätzpreis von 1.012 DM übernommen. Der Betrag ist an die Kreissparkasse Konto-Nummer 1000 zu überweisen.

An Personal werden übernommen:

Geschäftsführer Herr Otto Schwahn, Barth-Stein, Joseph Greschner, Bart-Stein, Heinz Franke, Barth, Eduard Leba, Pruchten.

Vereinbarungsgemäß wird eine Forderung von DM 283,65 an die Heimarbeitsgenossenschaft für gelieferte Weiden niedergeschlagen, weil das KWU die bestehenden Geschäftsbeziehungen übernimmt.

Die Liquidierung der Genossenschaft ist eine interne Angelegenheit derselben.“ (15)

Doch die Korbflechterei produzierte weiter. Was nach dem Krieg als Heimarbeitsbetrieb begann, dann Heimarbeitsindustrie genannt, vom KWU liquidiert und übernommen wurde, hatte schließlich als VEB (K) Korbflechterei Barth bis in die 1970er Jahre hinein seine Daseinsberechtigung.

Dierk Ower

 

Quellennachweis:

(1) bis (7) Archiv der Stadt Barth-Holz

(8) DDR-Lexikon

(9) bis (15) Archiv der Stadt Barth

 

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